Das erste Mal vergisst man nicht. Die Aufregung, die Vorfreude, die Gefühle spielen wie verrückt. Und bevor alles richtig angefangen hat ist es auch schon wieder vorbei. Die erste Aktie ist gekauft und wartet nun im Depot auf die erwartete Verzehnfachung. In diesem Blogeintrag schreibe ich über meine Anfänge der Geldanlage und wie sich mein privates Depot im Laufe der Zeit verändert hat.
„Insiderkauf“
Angefangen hat alles im Sommer 2018. Ich war bereits seit einem Jahr am Kryptomarkt aktiv und habe dort meine ersten Erfahrungen über konstante Verluste sammeln dürfen. Aber dazu kommt auch noch ein eigener Blogartikel. Jedenfalls gab es in meiner Firma Gerüchte, dass wir von einem Mitbewerber gekauft werden. Aufgrund dessen wollte ich unbedingt Aktien dieses an der Börse gelisteten Konkurrenten kaufen. Warum? Ich dachte, die Aktie würde danach explodieren. Dass Übernahmen für die akquirierende Firma meistens mit hohen Kosten und kurzfristig sinkenden Aktienkursen verbunden ist wusste ich damals natürlich nicht. Ich wollte das schnelle Geld. Ich hatte keine Ahnung.
Mein erstes Depot
Nach eingehender Recherche, welche Broker denn in Frage käme, fiel die Wahl auf Flatex. Steuereinfach, günstig, große Auswahl, mehr benötigt der moderne Anleger nicht. Ich hatte mich auch bei meiner Hausbank erkundigt und dort sogar ein Depot eröffnet. Die zuständige Wertpapierbetreuerin war aber damals so ehrlich und meinte, dass sie bei den Gebühren nicht mit Onlinebrokern mithalten können und ich mit meinem (geringen) Handelsvolumen woanders besser aufgehoben sei. Ich habe das Depot dann wieder geschlossen und bin bis heute mit Flatex mehr als zufrieden. Ich würde es jederzeit empfehlen, in Österreich sehe ich bis heute keine steuereinfachen Alternativen.
In 2018 war die Depoteröffnung btw. noch deutlicher aufwendiger als heutzutage. Die persönliche Identifikation musste man damals noch auf der Post durchführen und teilweise bis zu 2 Wochen auf den Benutzernamen und Pin Codes warten. Aber gerade diese, aus heutiger Sicht umständliche Art und Weise der Registrierung machte das Erlebnis der „Geldanlage“ zu etwas Besonderem.
Meine erste Aktie
Ich liege in Kärnten am Wörthersee, es ist ein wunderschöner Sommertag Ende August 2018. Ich habe alle Logindaten erhalten, das Geld wurde endlich vom Girokonto aufs Flatex Cashkonto überwiesen. Es kann losgehen, mein erster Aktienkauf: Aktie suchen, Anzahl eingeben, Transaktion freigeben, fertig.
Infineon ist es geworden. 30 Stück um 22,31€. Die Wochen davor war die Aktie von 25€ auf eben knapp 22€ gefallen. Ab jetzt kann sie ja nur mehr steigen. Es folgen Continental, Voestalpine, Volkswagen, Mondi, Axon Enterprise, Fresen. Med Care. Alle am gleichen Tag, innerhalb weniger Stunden. Das Depot wächst und wächst und wächst. Es ist wie eine Sucht. Kaufen, aktualisieren. Und selbst wenn ich nicht kaufe muss ich einfach nur aktualisieren, der Depotwert ändert sich minütlich.
Die Suche und Auswahl der Aktien ist sehr einfach. Google öffnen, suchen nach „Welche Aktien jetzt kaufen“ und schon gibt´s die ersten Treffer. Autoreifen gehen immer und die Aktie ist ja schon gefallen, Stahl geht auch immer und die Aktie ist auch gefallen, Autos werden auch immer gekauft und wieder ist der Kurs optisch günstig. Mondi war der Insidertipp, Axon ein „Insidertipp“ eines Google Treffers und Fresen. Med Care wohl auch ein „Must Kauf“. Fast alle Aktien werden nach dem „Die ist schon so viel gesunken, die kann ja jetzt nur mehr steigen“ Prinzip ausgewählt.
Die weitere Entwicklung
Was ich jedenfalls von Anfang an beherzigt habe, war das Anlegen eines bzw. mehrerer ETF Sparpläne. Meine ersten Sparpläne wurden Anfang September 2018 ausgelöst, ein MSCI World und ein Information Technology ETF wurden bespart. Der MSCI World läuft bis heute (die Sparrate habe ich zwischendurch immer ein wenig angepasst), den Information Technology ETF habe ich irgendwann durch einen S&P500 ETF ersetzt.
Die nächsten Einzelaktien folgen: Wirecard bei einem Kurs von fast 200€ und Amazon. Ich kaufe fast nur nach dem Prinzip, „ich kenne das Unternehmen und der Kurs sieht historisch gesehen günstig aus“. Was fällt, muss auch wieder steigen, so die Annahme. Nach und nach erkenne ich aber, dass meine Strategie der „billigen“ Aktien nicht funktioniert. Was 30% gefallen ist, kann nochmal um 30% fallen. Und nochmal um 30% fallen. Die ETFs performen deutlich besser als meine Einzelaktien. Es hat eben schon seinen Grund, warum meine Aktien billig sind. Ich habe keine Ahnung, keine Strategie.
Den größten Sprung in meiner Performance mache ich schließlich bei der Entdeckung des Blogs von Großmutters Sparstrumpf. Der Blog rund um Anleger Christian Thiel ist sachlich und leicht verständlich, ich lerne viel über Unternehmen und worauf man bei der Geldanlage achten sollte. Billige Aktien gehören jedenfalls nicht zu einer erfolgreichen Geldanlage und so fange ich an, meine Strategie zu ändern. (Mittlerweile gibt es auch eine Facebook Gruppe zu Großmutters Sparstrumpf, wo wirklich guter Content geliefert wird)
Was übrig bleibt
Fast 4 Jahre später ist in meinem Depot nicht mehr viel von meinen Anfängen ersichtlich. Fast alle Aktien, die ich an den ersten Tagen gekauft habe, besitze ich nicht mehr. Wirecard als Unternehmen gibt es gar nicht mehr. Mehr als die Hälfte meines Depots besteht aus ETFs (und der Anteil wird aufgrund der Sparpläne kontinuierlich größer), die andere Hälfte besteht zu einem Großteil aus Tech Firmen, die der klassische Anleger wohl nicht kennt: u.a. QT Group, The Trade Desk, Cloudflare, Crowdstrike. Keine österreichische Aktie, wenig europäische Aktien, keine asiatischen Aktien. Achja, meine allererste Aktie Infineon besitze ich sogar noch, aber weniger als Andenken an die Anfänge sondern aufgrund dessen, dass ich von der Firma weiterhin überzeugt bin.
Nach bald 4 Jahren am Aktienmarkt würde ich meinen, dass ich meine persönliche Strategie gefunden habe: ETF Sparpläne laufen lassen und in Bärenmärkten ein wenig Stock Picking betreiben. Und da vor allem in US Wachstumsaktien. Von Schwellenländern lasse ich bei Einzeltitel gänzlich die Finger.
Auch wenn mein Depot im aktuellen Bärenmarkt ordentlich Federn lassen muss, schlafe ich damit sehr gut, weil ich von meinen ETFs und Aktien absolut überzeugt bin. Mein Depot ist mittlerweile so ausgelegt, dass ich jede Aktie bis an mein Lebensende halten könnte. Billige Aktien gibt´s in meinem Depot kaum mehr. Qualität hat eben doch seinen Preis.
Wie sieht euer Depot aus? Schreibt es mir in die Kommentare oder schickt mir gerne eine Nachricht auf Instagram.
Ciao!
Johannes